Über 4.500 Gewalttaten jährlich allein in Bayern. Welche Strafen drohen?
Verfasst von Rechtsanwalt Florian Benedikt Schraml - Augsburg, 16.06.2020
In der letzten Woche veröffentlichte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann ein Lagebild zur „Gewalt gegen Polizeibeamte im Jahr 2019“.
Demnach gab es nach einer Pressemitteilung der Bayerischen Staatsregierung im Jahr 2019 7.959 Fälle von verbaler und körperlicher Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten im Freistaat Bayern.
Bei allein 4.501 dieser Fälle handelte es sich um körperliche Gewalt gegen Polizisten. Derartige Fälle haben nach Auskunft des Innenministers damit um 2,7 % im Vergleich zum Vorjahr zugenommen. Doch welche Strafe hat man denn zu erwarten, wenn man einen Polizeibeamten im Dienst tätlich angreift? Und wann liegt ein „tätlicher Angriff“ gegen einen Polizeibeamten denn überhaupt vor?
§ 114 StGB („Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“) droht für den Fall eines tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte eine Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe, und damit drastische Strafen, an. Eine Geldstrafe ist für diese Fälle nach dem Gesetz als Sanktion also nicht mehr möglich!
Ein „tätlicher Angriff“ gegen eine Polizistin oder einen Polizisten ist nach dem Gesetz dann gegeben, wenn es sich dabei um eine „unmittelbar auf den Körper zielende feindselige Einwirkung“ handelt. Ganz entscheidend ist nun weiter, dass nach dem Willen des Gesetzgebers durch die Einwirkung bei dem jeweiligen Polizeibeamten weder eine konkrete Verletzung eintreten, noch eine Verletzung vom Täter überhaupt beabsichtigt sein muss.
In Konsequenz daraus, und das muss man sich erst einmal klar machen, kann sich ein Täter auch dann nach § 114 StBG strafbar machen, wenn es zwischen ihm und dem Polizeibeamten nicht einmal zu einem unmittelbaren körperlichen Kontakt gekommen ist. Allein das Handeln des Täters in staatsfeindlicher Willensrichtung gegen einen Polizeibeamten ist nach dem Gesetzgeber für die hohe Strafdrohung des § 114 StGB maßgeblich und ausreichend.
Mit Hilfe von
einem aktuellen Fall aus
meiner täglichen Praxis als Strafverteidiger möchte ich Ihnen hierzu ein
konkretes Beispiel geben:
Der deutlich alkoholisierte Angeklagte beleidigte
in einer Gaststätte andere Gäste, so dass die Polizei gerufen wurde. Als eine Polizeibeamtin und ein
Polizeibeamter jeweils uniformiert vor Ort eintrafen, forderten sie den
Angeklagten auf, sich auszuweisen. Dieser Bitte kam der Angeklagte aber
nicht nach und nahm stattdessen eine Verteidigungsstellung ein und seine Hände
wie ein Boxer nach oben. Als der Polizeibeamte auf den
Angeklagten zutrat, versuchte der Angeklagte diesen mit der Faust ins Gesicht
zu schlagen, was aber, auch aufgrund seiner Alkoholisierung, misslang.
Es wird
deutlich, dass der Angeklagte keine vollendete Körperverletzung begangen hat,
weil er den Polizeibeamten mit dem Faustschlag nicht getroffen und somit auch
nicht verletzt hat.
Man könnte nun
meinen, dass der Angeklagte allenfalls wegen einer versuchten Körperverletzung
zu bestrafen sei. Damit bliebe als Strafe für den Angeklagten auch eine
Geldstrafe im Bereich des Möglichen.
Allerdings hat
der Angeklagte den Tatbestand des § 114 StGB voll verwirklicht. Denn sein
versuchter Faustschlag ist rechtlich als eine unmittelbare feindselige
Einwirkung auf den Körper des Polizeibeamten zu werten. Dabei ist völlig
unerheblich, dass es zu keiner Körperverletzung des Polizeibeamten gekommen
ist.
Im Ergebnis
wurde der erheblich vorbestrafte Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten mit Bewährung wegen tätlichen
Angriffs auf Vollstreckungsbeamte verurteilt.
In einem zweiten Fall wurde der Angeklagte bei einer Trunkenheitsfahrt im
Straßenverkehr von Polizeibeamten kontrolliert.Die Beamten belehrten den Angeklagten darüber,
dass er sich einem freiwilligen Atem-Alkoholtest unterziehen könne. Diesen
lehnte der Angeklagte aber ab. Die Polizeibeamten klärten den
Angeklagten daraufhin über die Notwendigkeit einer Blutentnahme auf der
Polizeidienststelle auf und drohten dem Angeklagten für den Fall der
Widersetzung körperlichen Zwang an.Als der Angeklagte weiterhin eine
freiwillige Mithilfe verweigerte, untersuchten die Polizeibeamten den
Angeklagten. Gegen diese körperliche Untersuchung wehrte sich der Angeklagte,
indem er laut Anklage die Hände der Polizisten wegschlug und versuchte, sich
aus den Griffen der Beamten herauszudrehen bzw. herauszuwinden. Außerdem wurde ihm in der Anklage
vorgeworfen mit seinem Ellenbogen in Richtung eines Polizeibeamten geschlagen
zu haben.
Der Angeklagte
wurde auch in diesem Fall von der Staatsanwaltschaft wegen tätlichen Angriffs
auf Vollstreckungsbeamte und versuchter Körperverletzung angeklagt.
In der
Hauptverhandlung vor Gericht gelang es allerdings, dass der Angeklagte im
Ergebnis vom Vorwurf des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte
freigesprochen wurde.
Eine auf den
Körper der Polizeibeamten zielende Einwirkung des Angeklagten konnte hier nicht
bewiesen werden. Die Handlungen des Angeklagten wurden vom Gericht nur als
reflexartige Bewegungen gewertet.